„Ein König für Deutschland“
Schon vor dem Urlaub hatte ich das für Mitte September angekündigte neue Buch von Andreas Eschbach bestellt, angefixt vor allem durch den tollen Video-Trailer (hier auf YouTube oder unter dem Artikel).
Wieder zu Hause, habe ich es gleich angefangen und war ziemlich schnell gefesselt – so, wie es bei mir nur Andreas Eschbach schafft (und Frank Schätzing, aber der ist außer Konkurrenz ;-) ).
Worum geht’s? Der amerikanische Programmierer Vincent Merrit arbeitet in einer Computerfirma, die ihn beauftragt, für einen Abgeordneten einen angeblichen Versuchs-„Prototypen“ eines Programms für Wahlcomputer zu schreiben, mit dem man Wahlen manipulieren könnte. Als bei der Präsidentschaftswahl 2000 zwischen George Bush und Al Gore erhebliche Unregelmäßigkeiten auftreten – u. a. mit Wahlcomputern – schöpft Vincent Verdacht, dass sein Programm am Wahlausgang beteiligt war.
Auch bei den Wahlen 2004 gewinnt entgegen aller Vorhersagen Bush, und das Wahlergebnis liegt nahe an 51 % für Bush – genau auf 51 % hatte Vincent das Ergebnis der Wahlcomputer damals programmiert …
Einige Jahre später wird Vincent von Benito Zantini, einem italienischen Zauberer und Betrüger, erpresst, ein Programm zu schreiben, das wiederum Wahlen manipulieren soll: die Landtagswahlen in Hessen 2008. Zantini will mit dieser Manipulation Politikern in Deutschland beweisen, dass er Wahlen beliebig manipulieren kann – und dann den Wahlsieg bei der Bundestagswahl 2009 an den Höchstbietenden verkaufen.
Vincent allerdings wehrt sich, kontaktiert seinen Vater, der Deutscher ist und dem er noch nie begegnet ist, und bittet ihn um Hilfe.
Die Geschichte entwickelt sich rasch, bis zu ihrem Höhepunkt: den Bundestagswahlen 2009 – und der Krönung Simon Königs zum König. Wie es dazu kommt, will ich aber nicht spoilern – dass es dazu kommt, steht auch im Klappentext, aber wie, war mir bis zur Mitte des Buches absolut schleierhaft.
So bietet Eschbach auch in seinem neuen Buch viele überraschende Momente, die man auf gar keinen Fall in irgendeiner Weise erwartet hätte. Dadurch schafft er es, dass das Buch durchweg sehr spannend ist – auch wenn nicht viel Gewalt, Verfolgung oder sonstige Ereignisse, die man normalerweise mit „Spannung“ verbindet, passieren. Stattdessen spürt man die Anspannung der Protagonisten, wie sie auf den Tag der Bundestagswahl (der übrigens am 27. September ist, für alle Über-18-Jährigen ;-) ) warten.
Vor allem im ersten Teil hat mich die einfach nur geniale Verwebung von Fiktion und Realität begeistert. So wird ausführlich beschrieben, welch riesigen „Probleme“ es bei der Präsidentenwahl 2000 gegeben hatte. Mir war zwar bewusst, dass es damals einige Diskussionen gab, dass das ganze allerdings so übel war, wusste ich nicht. Schon allein wegen dieser Schilderungen lohnt sich das Buch – vor allem, weil Eschbach für alles Unglaubliche, das nicht seiner Fantasie entspringt, stichhaltige Quellen angibt.
So beschreibt Eschbach, wie zutreffend so genannte „Exit Polls“ sind, also Umfragen, die Wähler direkt nach ihrem Gang zur Wahlurne nach ihrem Kreuzchen befragen, und dass es, v. a. bei den Präsidentschaftswahlen in den USA zwischen den Ergebnissen der Exit Polls und dem endgültigen offiziellen Wahlergebnis erhebliche, weit über dem üblichen liegende Differenzen gab. Das gibt wirklich zu denken.
So stellt Eschbach plakativ dar, was passieren könnte, wenn Wahlcomputer bei Wahlen im Einsatz sind. Als Programmierer weiß er, von was er redet, wenn er schreibt, dass jeder Computer zu hacken ist, es ist nur die Frage, wie schwierig.
Wie die meisten von euch wahrscheinlich wissen, wird die nächsten Jahre in Deutschland ohne Wahlcomputer gewählt. Das hat das Bundesverfassungsgericht beschlossen. Allerdings hat es, so schreibt Eschbach in seinem Nachwort, „die Tür für andere, ‚bessere‛ Wahlcomputer aber sperrangelweit offen gelassen“. Das Thema ist also noch nicht erledigt, und deswegen ist das Buch nicht weniger aktuell und aufrüttelnd als vor dem Urteil.
Allerdings wäre es auch, ganz abgesehen vom politischen Hintergrund, ein gutes Buch. Herr Eschbach, ich habe nur eine kleine Kritik: Das Finale war nicht so furios, wie ich es mir erwartet hätte. Da hatte „Eine Billion Dollar“ oder „Der letzte seiner Art“ mehr zu bieten. Im Übrigen auch tolle Bücher. So wie fast alles von Eschbach.
Andreas Eschbach: Ein König für Deutschland – Gustav Lübbe Verlag – 19,99 €
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Nachtrag vom 25. September:
Mein lieber Cicero hat ein Interview mit Andreas Eschbach geführt: Hier lesen.