Zu Gast beim Piraten-Stammtisch in München
Eigentlich wollte ich ja schon länger mal, aber jetzt hab ich es endlich geschafft: den Münchener Stammtisch der Piratenpartei zu besuchen.
Ich kam eine halbe Stunde zu spät (ihr wisst schon, in Marzling halten nicht so viele Züge …), d.h. das Restaurant war schon voll. Es war nicht besonders groß, bei normalem Betrieb passen wahrscheinlich um die dreißig Leute in den Raum. Tja, am Freitag Abend warens wahrscheinlich um die fünfzig, dazu weitere fünfzehn zwischen Tür und Angel und im Vorraum und ein paar, die durch die Fenster hereingeschaut haben.
Warum geht man eigentlich zu einem Piraten-Stammtisch? Ich überlege seit langem, in eine Partei einzutreten, und bin gerade, hm, in der Politik würde man wohl sagen: am Sondieren. Die Piratenpartei sagt mir mit ihren Zielen z.Zt. am meisten zu, v.a. sind sie die einzige Partei, die das Internet wirklich verstehen. Allerdings hatte ich noch einige Fragen, die ich ganz gerne noch klären würde …
Leider mir wurde dieser Wunsch am Freitag Abend nicht erfüllt, die zweieinhalb Stunden, die ich auf dem Stammtisch war, wurde in erster Linie viel Organisatorisches (letzte Plakate aufhängen, Flyer verteilen, Demos nächste Woche, Wahlparty (wo bekommen wir in dem Saal Internet her? ;-) ) besprochen. Es war also nicht das, was man sich unter einem typischen Stammtisch vorstellt – wahrscheinlich wäre es später noch dazu gekommen, aber … Ihr wisst ja, letzter Zug in Marzling hält um halb zwölf …
Mein Bild der Piraten hat sich natürlich trotzdem erweitert, revidiert und bestätigt.
Zu allererst muss ich sagen, dass wirklich alle, mit denen ich geredet habe, total nett waren; ich wurde sofort in den Kreis aufgenommen und behandelt, als sei ich schon immer dabei. Ich war allerdings nicht der einzige Neuling – zu Beginn wurde erst einmal eine Vorstellungsrunde angeregt. Ich war der jüngste und wurde, als ich erwähnte, bei der U18-Wahl am Vormittag Piraten gewählt zu haben, eifrig beklatscht.
Das Durchschnittsalter würde ich auf knapp dreißig Jahre schätzen – nur drei, vier Personen, die ich auf über vierzig geschätzt hätte, waren anwesend.
Die Organisation lief sehr geordnet ab, also weit entfernt vom oft beschworenen Bild der Piraten als anarchistische Chaostruppe.
Einen anderen Vorwurf konnte ich allerdings nicht entkräften: Von Jens Seipenbusch, Bundesvorsitzender der Piraten, und Andreas Popp, Stellvertretender Bundesvorsitzender, erschienen letzte Woche Interviews in der „Jungen Freiheit“, einer Wochenzeitung, die in eher rechten Gefilden verortet wird. Seitdem wird diskutiert, sowohl in den Medien als auch unter den Piraten selbst, ob dies richtig war oder nicht. Einige Medien behaupten sogar, die Piraten hätten sich zu einer Anlaufstelle für Nazis entwickelt. Die Piraten selbst sind gespalten: Einige sehen das ganze einfach als „dämlichen“ Fehler. Andere sind aber der Meinung, dass alle Medien im Zuge der Pressefreiheit gleich zu behandeln seien und dass man dementsprechend auch mit solchen Zeitungen Gespräche führen könne, schließlich ist die „Junge Freiheit“ ja vollkommen legal.
Dies führt zu einem entscheidenden Punkt: Fehlen den Piraten Werte, nach denen sie urteilen können? Freiheit ist ein Wert, aber anscheinend der einzige …
Piraten verteidigen sich damit, dass sie sich nicht im traditionellen Links-Rechts-Spektrum verorten lassen, weil sie neue Themen besetzen. Nach dem Motto: It’s not a bug, it’s a feature! Allerdings bin ich damit nicht einverstanden; damit ich Pirat werden kann, braucht’s irgendein Werte-Grundgerüst, oder zumindest eine Ahnung, wie dieses Grundgerüst mal ausschauen könnte, sodass man daraus Rückschlüsse auf ungefähre Positionen in Themenbereichen ziehen kann, die nicht explizit im Parteiprogramm stehen. Wie weit die Piraten mit einem solchen Grundgerüst sind, oder ob sie gar nicht vorhaben, eines zu errichten, habe ich aber zumindest am Freitag nicht herausgefunden. Naja, vielleicht das nächste Mal.
BTW, gerade kam im heute journal ein Bericht über die Piraten. Mein erster Gedanke danach: Piraten, bitte euren Pressesprecher tauschen. Taugt nix. Und zum Zweiten musste ich mich schon wieder aufregen: Da behauptet doch tatsächlich ein „Politikwissenschaftler“ (Namen hab ich mir nicht gemerkt …), die Piraten seien eine Ein-Themen-Partei. Dass dem nicht so ist, könnt selber hier nachlesen.
Ps.: Vielleicht oben etwas unklar geblieben: Natürlich distanzieren sich die Piraten von „totalitäre[n], diktatorische[n] und faschistische[n] Bestrebungen jeder Art“, und das nicht laut Einzelaussage, sondern laut Parteisatzung.
Pps.: Werde mich irgendwann im Laufe der Woche nochmal hier im Blog mit der Frage beschäftigen, ob die Piraten denn wählbar sind … Für die, die wählen dürfen, argh!!!