Der Jugendschutz im Internet heißt Medienkompetenz
Das Unwort des Monats heißt sicher Jugendmedienschutz-Staatsvertrags-Entwurf. Darin ist vorgesehen, dass das Internet endlich nach den Maßstäben des Jugendschutzes reguliert wird: So sollen alle Homepages eine Alterskennzeichnung erhalten, wie man das von der guten alten DVD kennt; alternativ dazu könnten auch Seiten, die „die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit beeinträchtigen“ einfach in ihrer Verfügbarkeit eingeschränkt werden – je nach Tageszeit! (Mehr Informationen findet ihr im alios pad.)
Das Argument für dieses Vorhaben ähnelt dem für Zensursula: Es kann doch nicht sein, dass Jugendliche auf alle Webseiten, also auch Pornos etc., Zugriff haben! Also statt Kinderpornos, die aus dem Internet rausschauen, Jugendliche, die nicht reinschauen sollen.
Leider kann man in dieser Sache nicht wie bei Zensursula darauf verweisen, dass bereits eine Gesetzesregelung existiert, die nur besser umgesetzt werden müsste: Löschen statt sperren! Es ist nunmal wirklich so, dass der durchschnittliche Jugendliche Zugriff auf „das ganze Internet“ hat.
Wie sollten wir damit umgehen? Es ist sicher richtig, dass es Seiten mit Inhalten gibt, die nach dem heutigen Jugendschutzgesetz „jugendgefährend“ sind – ob die Grundansichten, die dem JuSchG zugrundeliegen, nicht eigentlich überholt sind, ist eine andere Frage: Was wirklich verstörend wirken kann, also Kinderpornos und z. B. rechtsextremistische Hetzte, müsste ja nur nach geltendem Recht aus dem Netz entfernt werden; über anderes, wie „normale“ Pornographie, wäre eigentlich mal wieder eine gesellschaftliche Diskussion fällig.
Nehmen wir also an, wir wollen solche Inhalte, egal wie beeinträchtigend sie wirklich sind, nach dem geltenden JuSchG, nicht für Jugendliche zugänglich machen: Dann stellt sich die Frage nach dem Weg. Im Handel hat man dies mit Ausweiskontrollen gelöst, im Radion und Fernsehen mit Sendezeitbeschränkungen. Das Internet soll sich zu Radio und Fernsehen einreihen – dabei unterscheidet es sich doch fundamental: Nicht die Radio- und Fernsehsender bestimmen das „Programm“ im Internet, sondern der Benutzer selbst.
Entscheidend ist aber: Wir brauchen keine Regulierung von oben, die Erwachsenen viel mehr schadet als sie Jugendlichen hilft. Im Gegensatz zum Fernsehen und Radio haben Eltern beim Internet nämlich die Möglichkeit, festzusetzen, auf welche Seiten sie gehen dürfen. Programme dafür gibt es genug. Denn in erster Linie ist nicht der Staat, sondern sind die Eltern für die Kinder verantwortlich. (Die Aufgabe der Gesellschaft besteht darin, Kindern, deren Eltern diese Aufgabe nicht übernehmen können oder wollen, zu helfen – wären alle illegalen Inhalte aus dem Internet entfernt, wäre es aber quasi unmöglich, die Entwicklung eines Kindes durch ungehinderten Zugang zum Internet wirklich zu beeinträchtigen.) Wer sich also jetzt beschwert, leidet entweder an staatlicher Regulierungswut oder ist unfähig, sich selbst um seine Kinder zu kümmern.
Viel wichtiger als eine solche unnütze Regulierung (Wer hindert die Kinder daran, um zwei Uhr nachts im Internet zu surfen?) ist ein umfassendes Konzept zur schulischen Förderung der – ja, dieses hässliche Wort muss leider gebraucht werden – Medienkompetenz. Auch Kinder werden erwachsen, und dann haben sie in jedem Fall Zugang zu allen Inhalten – und so muss man auch als Erwachsener einschätzen können, was es mit der Webseite vor einem auf sich hat; und diese Erwachsenen werden Eltern und sollten eigentlich wiederum ihren Kindern den Umgang mit den Medien „beibringen“. Die fehlende Medienkompetenz ist das Problem, nicht die freie Verfügbarkeit. Diese ist auch Aufgabe des Staates: Sie erreicht man aber nicht durch Verbote, sondern durch das Bildungswesen. Der Jugendschutz im Internet heißt Medienkompetenz.