Verteilungseffekte in der Eurokrise (meine Bachelorarbeit)
Nachdem sie jetzt fertig korrigiert ist, kann ich meine Bachelorarbeit auch veröffentlichen – vielleicht interessiert es ja die eine oder den anderen, wie sich die Verteilung von Einkommen und Vermögen während der Eurokrise verändert hat und welche Auswirkungen bestimmte wirtschafts- und geldpolitische Maßnahmen hatten, wie etwa der verschärfte Sparkurs und die Aktivitäten der Europäischen Zentralbank.
Hier (PDF, 17,5 MB) steht die gesamte Bachelorarbeit zum Download. Im Folgenden will ich einige Punkte kurz zusammenfassen:
Nimmt man alle Haushalte der Eurozone unabhängig von ihrer Staatenzugehörigkeit und betrachtet die Verteilung der Einkommen unter allen diesen Haushalten, so ergibt sich für die Eurozone, dass die Ungleichheit mit Beginn der Krise 2009 erst einmal gesunken ist, dann aber seit 2010 wieder angestiegen ist. Ähnlich schaut es auch innerhalb der meisten einzelnen Ländern aus.
Um herauszufinden, wer in den Jahren der Krise relativ, also im Vergleich zur übrigen Bevölkerung eines Landes, besser oder schlechter davon gekommen ist, kann man die Einkommensanteile der einzelnen Dezile betrachten, d. h. den Anteil am gesamten Einkommen, den jeweils ein Zehntel der Bevölkerung bekommt. Dabei zeigt sich, dass im Durchschnitt aller Länder v. a. die Anteile des ersten und zweiten, also der beiden ärmsten Dezile und die des zehnten, also des reichsten, gesunken sind – das bedeutet, dass die Lasten der Krise überdurchschnittlich von den Ärmsten und Reichsten getragen wurden. Vor allem in den Krisenländern sind die Verluste bei den Ärmsten mit Abstand am größten.
Soweit also die allgemeine Entwicklung der Verteilung. Das sagt aber ja noch nichts darüber aus, wie denn diese Veränderungen zustande gekommen sein könnten. Deshalb habe ich u. a. die Verteilungswirkungen der Sparpolitik, der verschärften Rezession, also des Wirtschaftseinbruchs, und der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank untersucht:
Dabei stellt sich heraus, dass die Austeritätspolitik ziemlich sicher die Ärmsten am stärksten belastet. Auch die schwere Wirtschaftskrise, die von dieser Sparpolitik zum großen Teil verantwortet wird, belastet hauptsächlich die unteren Einkommensschichten. Interessanterweise lässt sich theoretisch sehr gut erklären, warum die Ungleichheit mit Beginn der Krise erst einmal gesunken ist: weil im ersten Moment hauptsächlich die Kapitaleinkommen die Folgen der Krise zu spüren bekommen, und diese Kapitaleinkommen kommen hauptsächlich den Reicheren zu. Dann aber steigt die Arbeitslosigkeit, und das führt zu steigender Ungleichheit.
Wie hat sich die Politik der EZB, die kurz gesagt darin besteht, die Zinsen möglichst niedrig zu halten und jede Menge Geld in den Wirtschaftskreislauf zu pumpen, auf die Verteilung ausgewirkt? Wenn Zinsen sinken, bedeutet das für Sparer sinkende Zinseinnahmen; gleichzeitig aber für Schuldner auch niedrigere Zinslasten. Davon profitieren in der Krise insbesondere Staaten, Unternehmen und ärmere Haushalte, während reichere Haushalte darunter leiden. Die reicheren profitieren aber auch durch die EZB-Politik, weil durch das viele Geld die Preise von Aktien, Immobilien, etc. steigen – sie haben also im Vergleich zu einer Situation mit höheren Zinsen geringere Einkommen, dafür aber mehr Vermögen. Die Effekte der Geldpolitik sind allerdings im Ausmaß gering im Vergleich zu den Auswirkungen der Austeritätspolitik.
Man muss also wahrscheinlich festhalten, dass durch die – hauptsächlich von Deutschland und damit von uns zu verantwortende – Krisenpolitik die ärmsten Schichten, die sowieso keinerlei Reserven haben, übermäßig stark getroffen werden, während die obere Mittelschicht und teilweise auch die reichsten Schichten relativ geringe Lasten tragen müssen.
(Die Arbeit wurde übrigens mit der Note 1,0 bewertet ;))
2 KOMMENTARE
Tolle Fragestellung; tolle Arbeit. Habe etwas angelesen und werde sie mir gerne im Detail ansehen. Glückwunsch, Andreas!
Guter Ansatz! Wenn man jetzt mit einbezieht, das freies Kapital aus Angst vor Entwertung in den Immobilienmarkt fließt und so zu exorbitanten Mieten führt, dann zeigt sich das Ausmaß vollends.
Lob und Anerkennung!
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