Nach dem Jamaika-Kater: Wie verhindern wir eine erneute GroKo?
Ich finde es ja sehr spannend, wie viele Kommentare von Genoss*innen gegen eine neue große Koalition in meinen Facebook- und Twitter-Timelines auftauchen. Die Intention dahinter halte ich für gut und ehrenwert, aber für mich ist es trotzdem erschreckend, wie wenige sich darüber Gedanken zu machen scheinen, wie es ohne große Koalition weitergehen soll. #nogroko ist als allgemeine Einstellung ohne Zweifel das einzig richtige, aber es ist in der aktuellen Situation als Handlungsempfehlung viel zu wenig und somit unbrauchbar. Der Druck auf die SPD ist diese Woche erst dadurch entstanden, weil der Parteivorstand am Montag Vormittag beschlossen hat, die große Koalition kategorisch auszuschließen – ohne aber irgendeinen Ausweg oder eine Handlungsoption für die SPD vorzuschlagen.
Wir müssen jetzt so ehrlich sein und uns die Alternativen anschauen, die der SPD bleiben: Eine der drei Alternativen GroKo, Minderheitsregierung oder Neuwahlen wird letztlich umgesetzt werden, und wenn wir die GroKo verhindern wollen, müssen wir aktiv auf eine Alternative hinarbeiten – wenn wir uns nicht für Neuwahlen oder eine Minderheitsregierung einsetzen, wird es zwangsweise auf eine große Koalition hinauslaufen, auch wenn wir das für die schlechteste Option halten sollten.
Was bleibt uns also? Neuwahlen? Mir ist vollkommen schleierhaft, warum sich die SPD in der aktuellen politischen Situation und angesichts ihres eigenen Zustands aktiv für Neuwahlen einsetzen kann. Wir haben keinen unumstrittenen Kanzlerkandidaten, wir haben noch keinen eingearbeiteten Generalsekretär, wir haben keine Bundesgeschäftsführerin – und wir haben in diesem Jahr gesehen, wie gut eine Kampa im Willy-Brandt-Haus funktioniert, wenn beste Voraussetzungen herrschen, also wird eine Kampagne zum jetzigen Zeitpunkt sicher nicht besser ausfallen. Außerdem sind wir beim Erneuerungsmarathon bisher wenn überhaupt einen knappen Kilometer vorangekommen, das heißt es gibt auch inhaltlich überhaupt keinen Grund, jetzt plötzlich SPD zu wählen, wenn man das nicht auch schon im September getan hat.
Dass Neuwahlen aber überhaupt einen Sinn ergeben, müssen sie ja dazu führen, dass sich neue potentielle Koalitionsoptionen ergeben: Für Rot-Rot-Grün braucht es eine Wählerwanderung von rund 9 Prozent, für Schwarz-Grün von rund 6 Prozent und für Schwarz-Gelb rund 4 Prozent. Wo sollen die R2G-Wähler plötzlich, innerhalb weniger Monate und ohne bisherige Umfrage-Anzeichen dafür, herkommen? Oder wünschen wir uns Mehrheiten für Schwarz-Grün oder Schwarz-Gelb, die wohl nur zustande kommen, wenn die SPD noch weiter verliert? Natürlich sind Aufholjagden möglich, natürlich können sich Stimmungen schnell ändern, aber dafür braucht es trotzdem Gründe und gute Pläne, und die sind für mich beide nicht sichtbar. Die bei weitem wahrscheinlichste Konsequenz bei Neuwahlen ist also, dass wir vor der gleichen Situation stehen wie jetzt, sprich: GroKo oder Minderheitsregierung.
Was bleibt also, wenn wir keine Groko wollen? Für mich spricht alles dafür, jetzt eine schwarz-grüne Minderheitsregierung zu forcieren. Das würde dem parlamentarischen Diskurs gut tun, wenn Politik tatsächlich im Bundestag diskutiert und ausgehandelt würde, der SPD den Vorwurf der Umfallerei (wenn GroKo) oder Verantwortungslosigkeit (wenn Neuwahlen) ersparen – und sogar dazu führen, dass die SPD großen politischen Gestaltungsspielraum erhält, ohne dafür die Oppositionsrolle völlig und die Chance zur Erneuerung aufgeben zu müssen.
Wir müssen uns aber klar werden, dass eine solche Lösung sehr wahrscheinlich nicht zustande kommen wird, wenn wir als SPD, und wir als Jusos innerhalb der SPD, nicht aktiv darauf hin arbeiten, sprich ein Konzept aufstellen, unter welchen Bedingungen wir uns eine schwarz-grüne Regierung vorstellen könnten. Nur das Bekenntnis zu #nogroko hilft uns nicht weiter, und nur wenn wir jetzt innerparteilich andere, gangbare Wege aufzeigen, werden wir es auch schaffen, eine weitere große Koalition zu verhindern.