Das NRW-Wahlprogramm
Vorletztes Wochenende fand in Gelsenkirchen eine Landesmitgliederversammlung der Nordrhein-Westfälischen Piraten statt, auf der unter anderem das Wahlprogramm für die im Mai anstehende Landtagswahl verabschiedet werden sollte. Dies hat zwar aus Zeitgründen nur zu einem Teil geklappt, das Ergebnis ist aber dennoch sehr interessant; es zeigt nämlich, wohin die Reise auch bundesweit gehen könnte.
Auch wenn die „Strukturierung des Wahlprogramms“ noch nicht behandelt wurde, ist es durchaus interessant, dass in der jetzigen Version das Kapitel „Bildung“ an vorderster Stelle steht. Dies zeigt doch eine Gewichtung, die es bisher nicht zu beobachten gab; es ist auch das bei weitem umfangreichste Kapitel.
Neben der Gewichtung ist dieses Thema auch in seiner Ausarbeitung äußerst interessant und gelungen: Der Vorschlag eines flexiblen Kurssystems statt der jetzigen starren Klassenverbände ist eine vielleicht nicht ganz neue, aber dennoch innovative und leistungsfähige Idee, den Problemen in unseren Schulsystemen zu begegnen.
Die Frage der Finanzierung der Forderungen (die größte Herausforderung würde wohl eine Verringerung der Klassenstärke auf 15 Schüler darstellen) wird zwar behandelt, aber meines Erachtens viel zu sehr wie bei den Etablierten abgehandelt: Dass ein gutes Schulsystem auf lange Sicht Kosten im Sozialwesen verringert, ist durchaus richtig, hilft aber bei der konkreten Finanzierung nicht weiter. Die Kosten, die jetzt entstehen, sollen durch „Einsparung von Subventionen“ gedeckt werden. Ohne konkrete Ausführungen, welche Subventionen dies seien, klingt’s allerdings etwas hölzern.
Die Themenbereiche „Wirtschaft und Finanzen“, „Medienpolitik“, „Innenpolitik“ und „Open Access“ sind zwar interessant, aber nicht unbedingt hoch innovativ. Einige Sachen sehe ich auch eher skeptisch, zum Beispiel die „Sperrfristen für Politiker nach Auslaufen des Mandats“ (wie Marcel-André Casasola Merckle und Christopher Lauer in Folge 5 ihres äußerst hörenswerten Podcasts „Piratengespräche“ schon angemerkt haben) oder die „pauschale Mindestentschädigung bei rechtswidrigen Maßnahmen von Behörden“, die das Problem, das es angreift, nicht behebt: Wenn dann sollte man zum einen etwas dagegen unternehmen, dass solche Fehler überhaupt passieren, und zum anderen die Kriterien und den Prozess für individuelle Entschädigungszahlungen verbessern.
Äußerst interessant sind die beiden bis jetzt noch nicht erwähnten Themenbereiche: „Umwelt“ und „Verbraucherschutz“. Der Verbraucherschutz ist an sich ein wirklich (’tschuldigung) piratiges Thema; der Abschnitt im NRW-Wahlprogramm könnte m. E. durchaus als Vorlage für einen Antrag für den BPT im Mai dienen.
Persönlich finde ich das Umwelt-Kapitel am interessantesten: Für mich vollkommen überraschend kommt die trockene Absage an die Atomkraft – „Technologien, die unabsehbare und nicht zu verantwortende Folgen für nachfolgende Generationen haben, lehnen wir strikt ab.“ Dabei werden zwei neue Prinzipien, zwei neue Werte definiert: Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit.
Auch wenn dies nur das Wahlprogramm eines Bundeslandes ist, auch wenn nur etwa 250 Piraten darüber abgestimmt haben, finde ich es wegweisend, was in Gelsenkirchen passiert ist: Die NRW-Piraten haben ein Programm zusammengestellt (das ja noch nicht einmal alle Vorschläge, die vorliegen, enthält), das weit über die „Kernthemen“ hinaus geht, das aber dennoch den Geist dieser Themen weiter- und ihn auf neue Bereiche überträgt. Dies finde ich sehr erfreulich und weckt bei mir Vorfreude auf den Bundesparteitag im Mai.
2 KOMMENTARE
Dass das Bildungsthema so im Vordergrund steht, finde ich nicht überraschend, denn dieses Thema steht ja auch schon im Grundsatzprogramm.
Ansonsten kann ich Dir nur zustimmen. Ich bin von dem Programm sehr positiv überrascht. Es gibt sicher Details, die ich noch nicht genau einschätzen kann, aber die Richtung insgesamt finde ich genau richtig.
Ich fand’s schon überraschend, schließlich ist das Thema „Bildung“ ja erst letztes Jahr zum Parteiprogramm hinzugekommen und ist in der jetzigen Form des Wahlprogramms der absolute Schwerpunkt.
Die Richtung der Erweiterung hat in mir echt wieder Hoffnung geweckt, dass das doch noch was gescheites werden könnte …
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