Warum brauchen wir einen Industriestrompreis?
Fragen und Antworten

20|10|2023

Deutschland ist ein Industriestandort. Das ist die Basis für unseren Wohlstand. Aber: 24 Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland werden durch die Industrie verursacht. Wir brauchen eine Industrie, die Gas, Kohle und Öl durch erneuerbare Energie und klimaneutral erzeugten Wasserstoff ersetzt.

Das ist möglich. Es ist aber teuer. Steigen die Energiekosten weiter, werden energieintensive Unternehmen nicht in Deutschland investieren. Das gefährdet tausende Jobs gerade in den Unternehmen, in denen es gute Arbeit und Tarifverträge gibt.

Damit die energieintensiven Industrien, damit Chemie, Keramik oder Stahl eine grüne Zukunft in Deutschland haben, brauchen sie preisgünstigen grünen Strom. Wir schlagen dafür einen Transformationsstrompreis von 5 Cent für energieintensive Unternehmen vor. Nur so können viele Arbeitsplätze in der Industrie gehalten werden. Davon profitieren wir alle.

Nein, im Gegenteil. Unser Ziel ist eine klimaneutrale und gleichzeitig wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft. Der Weg dorthin führt über die Transformation insbesondere der Unternehmen aus energieintensiven Industrien. Der Transformationsstrompreis ermöglicht es diesen alten Strukturen überhaupt erst, sich durch Investitionen zu transformieren. Viele Unternehmen wollen ihre Prozesse transformieren und haben sich mit ihren Beschäftigten bereits auf den Weg gemacht die Transformation zu gestalten. Der Schlüssel für den Erfolg dieser Transformation ist grüner Strom zu kalkulierbaren Preisen.

Die Investitionen in neue Anlagen sind hoch. Fossile Energieträger sind oftmals günstiger als Strom. Und die Strompreise schwanken teils stark. Daher brauchen wir kurzfristig Planungssicherheit für die Industrie und mittel- sowie langfristig eine Perspektive für alle Stromverbraucher:innen.

Außerdem ist der Transformationsstrompreis sowohl zeitlich befristet als auch an Bedingungen geknüpft:

  • Der Transformationsstrompreis soll zunächst für fünf Jahre gelten.
  • Unternehmen, die vom Transformationsstrompreis profitieren, müssen in Effizienzmaßnahmen, erneuerbare Energien, Speichertechnik oder Elektrolyse-Anlagen investieren. Das kann über vorgeschriebene Transformationspläne erreicht werden.
  • Der Transformationsstrompreis wird an gute Arbeit durch Tarifbindung und an Standort- und Beschäftigungsgarantien gekoppelt.

Kurzfristig wollen wir einen zeitlich befristeten Industriestrompreis einführen, den wir Transformationsstrompreis nennen.

Der Transformationsstrompreis soll, für einen definierten Empfängerkreis, zunächst für fünf Jahre gelten und beträgt vor Steuern und Umlagen 5 Cent pro Kilowattstunde. Um die Strommärkte möglichst gering zu beeinträchtigen, bekommen die Unternehmen dabei die Differenz zwischen 5 Cent pro Kilowattstunde und dem durchschnittlichen Börsenstrompreis pro Kilowattstunde erstattet. Dabei werden 100% des Stromverbrauchs erstattet, um die bürokratische Berechnung von Referenzverbräuchen zu vermeiden.

Der Transformationsstrompreis ist befristet, weil wir keine Dauersubvention wollen. Das verbietet sich aus volkswirtschaftlicher Perspektive und ist auch nicht vom europäischen Beihilferecht gedeckt. Stattdessen schaffen wir durch den Ausbau der günstigen Erneuerbaren Energien eine Perspektive auf wettbewerbsfähige Strompreise.

Nach vier Jahren wird unter Berücksichtigung der Verfügbarkeit von Strom aus erneuerbaren Energien und der internationalen Wettbewerbssituation evaluiert, ob eine befristete Verlängerung des Transformationsstrompreises notwendig ist. In jedem Fall endet er mit einer ausreichenden Kapazität erneuerbarer Energie im Strommarkt.

Warum 5 Cent?

Dabei orientieren wir uns am Strompreisniveau, das vor der Energiekrise für die energieintensiven Unternehmen erreichbar war. Mittelfristig wird das Preisniveau sich nach den Kosten des Stroms aus Solar- und Windanlagen richten. Dies liegt höher als 5 Cent, aber weit unter den aktuellen Strompreisen an der Börse. Wir starten mit 5 Cent, um den Unternehmen einen möglichst großen Anreiz zu geben, jetzt in die Transformation zu investieren. Nach zwei Jahren wird dieser Preis evaluiert und an das langfristig erwartbare Preisniveau der erneuerbaren Energien sowie deren Erzeugungsprofil angepasst.

Der Preis von 5 Cent bezieht sich außerdem rein auf die Kosten der Strombeschaffung – Netzentgelte, Umlagen und Steuern kommen da noch oben drauf.

Genau das ist der Plan! Wir brauchen schnell mehr Strom aus erneuerbaren Energien. Nur so steht mittelfristig auch ohne staatliche Finanzmittel Strom zu wettbewerbsfähigen Preisen zur Verfügung. Denn: Windkraft und Solaranlagen liefern von allen Technologien den günstigsten Strom.

Noch sind wir aber nicht soweit, dass sich alle mit günstigem Erneuerbaren-Strom versorgen können. Der Transformationsstrompreis ist eine Brücke in die Zeit, in der genügend grüner Strom zur Verfügung steht. Damit der Ausbau auch gelingt, wollen wir gerade die großen Stromverbraucher:innen, die energieintensiven Unternehmen, am Ausbau beteiligen.

Transformationsstrompreis für energieintensive Unternehmen heißt also gleichzeitig, dass diese Unternehmen ihre Prozesse klimafreundlich umbauen und sich am Ausbau der Erneuerbaren Energien beteiligen.

Sollten wir nicht stattdessen die Stromsteuer senken?

Die Stromsteuer beträgt derzeit maximal 2,05 Cent pro kWh. Eine Absenkung würde also nur eine geringe Entlastung bedeuten – zu gering, um für die im internationalen Wettbewerb stehenden energieintensiven Unternehmen einen Unterschied zu machen. Gleichzeitig würde der Staat aber Einnahmen von knapp 7 Milliarden Euro verlieren, mit denen er u. a. den Klimaschutz vorantreiben kann. Eine Stromsteuersenkung ist somit eine Maßnahme aus der berüchtigten „Gießkanne“, die viel kostet, aber dem einzelnen Unternehmen oder Haushalt wernig bringt.

Was kommt nach dem Transformationsstrompreis?

Wir wollen den Transformationsstrompreis nach seinem Auslaufen durch einen so genannten Differenzvertragspool, ein neues Instrument zur Absicherung von Strompreisen, ersetzen. Mit dem Ausbaubonus bekommen diejenigen Unternehmen privilegierten Zugang, die sich am Ausbau der Erneuerbaren beteiligt haben. Damit sorgen wir dafür, dass genügend günstiger Strom aus erneuerbaren Energien zur Verfügung steht und dass energieintensive Unternehmen langfristig auf bezahlbare Strompreise vertrauen können.

In der EU wird gerade diskutiert, die Förderung neuer erneuerbarer-Energien-Anlagen auf so genannte Differenzverträge umzustellen. Dies bietet die richtigen Rahmenbedingungen für verlässlich bezahlbaren Strom.

In einem solchen Modell bekommen Anlagen eine fest vereinbarte Vergütung und Unternehmen können zu einem fest vereinbarten Zuschlagspreis Strom beziehen. Liegt der am Strommarkt erzielte Strompreis unterhalb dieses vereinbarten Preises, bekommt der Anlagenbetreiber von den Unternehmen die Differenz erstattet; liegt der Strompreis darüber, muss der Betreiber die Differenz an die Unternehmen abführen. Im Mittel werden so stabile Preise erzielt und Unternehmen sind gegen das volatile Erzeugungsprofil der erneuerbaren Energien abgesichert. Der Staat trägt nur das Ausfallrisiko, durch diese staatliche Absicherung von Risiken sinken aber die Finanzierungskosten deutlich und somit auch die Erzeugungskosten von Strom aus Wind und Sonne.

Wir wollen die Erneuerbaren, die mittels Differenzverträgen abgesichert sind, zu einem Pool zusammenfassen. In den vielen Stunden, in denen sich Wind- und Photovoltaik-Stromerzeugung ergänzen, steht somit zuverlässig Strom aus diesem Pool zu einem garantiert günstigen Preis zur Verfügung – für Haushalte, aber eben auch für die energieintensive Industrie.

Für Unternehmen, die vom Transformationsstrompreis profitieren und die sich selbst stark am Ausbau Erneuerbarer Energien beteiligen, wird es einen Ausbaubonus geben. Sie erhalten dann vorrangig Zugang zum Differenzvertragspool, der nach Auslaufen des Transformationsstrompreises noch nicht den ganzen Strombedarf decken kann. Dadurch können Sie sicherstellen, dass sie ohne Lücke günstigen Strom für ihre gesamte Produktion zur Verfügung haben werden.

Den zeitlich befristeten Transformationsstrompreis bekommen nur energieintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen oder für das Erreichen der Klimaneutralität von großer Bedeutung sind, etwa die Batterieproduktion. Ein subventionierter Strompreis für einen breiteren Kreis an Unternehmen dürfte von der Europäischen Kommission als unzulässig eingestuft werden, weil er über das absolut notwendige Maß – zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit in der Transformation – hinaus die Wirtschaft unterstützen würde.

Die energieintensive Industrie verbraucht enorme Mengen an Strom. Die hohen Strompreise haben schon dazu geführt, dass Unternehmen gerade in der Aluminium- oder Stahlproduktion ihre Produktion eingestellt haben. In einer hochkomplexen Wirtschaft wie der unseren wären die Auswirkungen weitreichend, wenn ganze Wirtschaftszweige abwandern. Deshalb dient der Transformationsstrompreis allen Branchen, auch denen die nicht direkt davon profitieren.

Wir wollen die Industriearbeitsplätze in Deutschland erhalten. Der Transformationsstrompreis ist dafür eine notwendige, aber auch befristete Maßnahme. Er geht außerdem einher mit der Beteiligung der Unternehmen am Ausbau der erneuerbaren Energien. Auch davon werden wiederum alle profitieren.

Energieintensive Unternehmen im internationalen Wettbewerb können ihre Preise nicht nach Belieben erhöhen, da die Kund:innen ansonsten bei internationalen Konkurrenten einkaufen. Andere Wirtschaftszweige können die derzeit noch höheren Energiepreise an ihre Kund:innen weitergeben und so weiterhin in Deutschland profitabel bleiben. Bei der Ausgestaltung des Transformationsstrompreises ist klar: Es darf keine Benachteiligung geben für kleine Unternehmen oder Branchen, in denen Kund:innen auf andere, vom subventionierten Strompreis profitierenden Produkte ausweichen können.

Mittelfristig, wenn der Ausbau der Erneuerbaren Energien wie geplant schnell vorangeschritten ist, werden wir den Differenzvertragspool nutzen, um der gesamten Wirtschaft und Haushalten, insbesondere Anwohner:innen von Wind- oder Solaranlagen, Zugang zum günstigen Strom aus dem Pool zu verschaffen.

Strom ist ein homogenes Gut. Das heißt: Ganz gleich, wie der Strom produziert wurde, hat er die gleichen Eigenschaften, wenn er aus der Steckdose kommt. Grundsätzlich funktioniert die Preisbildung für solche homogenen Güter an den Märkten gleich: Zuerst werden die günstigsten Anbieter gewählt, und bei steigender Nachfrage immer die mit den nächsthöheren Preisen. Bei höherer Nachfrage steigt der Preis, das teuerste Kraftwerk bestimmt den Preis. Dieser Mechanismus auf dem Strommarkt nennt sich Merit Order.

Diese Form der Preisbildung hat durchaus positive Effekte. Die Strompreisbildung beginnt immer bei den günstigsten Gestehungskosten, d. h. der Preis ist immer der niedrigst mögliche, der noch sicherstellt, dass die benötigte Menge an Strom auch tatsächlich produziert wird. Langfristig werden also Kraftwerke mit hohen Gestehungskosten aus dem Markt verdrängt.

Problematisch ist das derzeit, weil die Erzeugungskosten so extrem unterschiedlich sind: Während Wind und Sonne zu quasi null Kosten anbieten können, sind die Preise bei den Gaskraftwerken extrem gestiegen und treiben somit den gesamten Strompreis. Damit die Strompreise für alle sinken, müssen wir die konventionellen Kraftwerke aus dem Netz bekommen. Wir bauen die erneuerbaren Energien so schnell wie möglich aus – so werden die teuren Kraftwerke nicht mehr gebraucht und der Strompreis wird mittelfristig wieder stark sinken, weil die erneuerbaren Energien so günstig sind.

Die Koalition hat mit der Plattform „Klimaneutrales Stromsystem“ die Diskussion um das Strommarktdesign aufgegriffen. Ob und welche Änderungen sinnvoll sind, diskutieren wir gerade. Grundsätzlich wird aber am Merit-Order-Prinzip festgehalten, weil es den hochkomplexen Strommarkt besser organisiert als jede bekannte Alternative. Trotzdem wird diskutiert, wie übermäßige Gewinne bei den „günstigen“ Stromerzeugern vermieden werden können – das ist der Leitgedanke hinter den Differenzverträgen, die in Zeiten hoher Strompreise dafür sorgen, dass die Anlagenbetreiber ihre Übergewinne an den Staat bzw. die Stromverbaucher:innen zurückgeben müssen.

Eine Möglichkeit, den befristeten Transformationsstrompreis zu finanzieren, bietet der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF). Dieser wurde 2022 mit 200 Milliarden Euro ausgestattet, um die Auswirkungen der Energiekrise, die der russische Angriff auf die Ukraine ausgelöst hat, abzufedern. Damit wurden bislang etwa die Preisbremsen für Strom, Gas und Wärme finanziert. Da es uns gelungen ist, die Gasversorgung schneller als vorhergesagt zu sichern, sind die Energiepreise wieder stark gesunken – und somit auch der Finanzbedarf der Preisbremsen. Gleichzeitig ist der Zweck des WSF noch nicht erfüllt, da die Wirtschaft sich in Folge der Energiekrise in einer Rezession befindet. Die bislang nicht ausgeschöpften Mittel im WSF wären deshalb geeignet, die langfristig gestiegenen Strompreise durch einen Transformationsstrompreis abzumildern.

Dieser Transformationsstrompreis soll sowohl für stromintensive Unternehmen (im Rahmen der Besonderen Ausgleichsregelung) als auch für die industriellen Schlüsselbereiche der Transformation gewährt werden, wie sie etwa im europäischen „Netto-Null-Industrie-Gesetz“ im Rahmen des Grünen Industrieplans definiert sind. In erster Linie betrifft dies hier die Produktion von Batterien, Windrädern, PV-Anlagen, Wärmepumpen, Elektrolyseanlagen sowie Anlagen zur Verwertung und/oder Speicherung von Kohlenstoffdioxid. Branchen mit hohem Strombedarf – historisch oder nach erfolgter Transformation mittels Elektrifizierung – müssen den Transformationsstrompreis erhalten, um die nächsten Jahre, in der erneuerbarer Strom noch eingeschränkt verfügbar ist, überbrücken zu können. Daher sollten die Netto-Null-Industrien sowie die von der besonderen Ausgleichregelung nach dem Energiefinanzierungsgesetz erfassten Branchen diese Brücke in Anspruch nehmen können – allerdings ohne eine Limitierung hinsichtlich des jährlich-en Mindeststromverbrauchs, um eine Benachteiligung kleinerer Unternehmen auszuschließen.

Welche Anforderungen müssen Unternehmen erfüllen, um den Transformationsstrompreis erhalten zu können?

Die Transformation der Energieversorgung kann mittelfristig nur gelingen, wenn sich alle Akteure dieser Herkulesaufgabe stellen. Wir erwarten deshalb von den Unternehmen, die vom Transformationsstrompreis profitieren, dass sie sich an dieser Aufgabe beteiligen und beispielsweise in Effizienzmaßnahmen, erneuerbare Energien, Speichertechnik oder Elektrolyse-Anlagen investieren.

Um den Zweck des Transformationsstrompreises auch tatsächlich zu erfüllen, ist die Inanspruchnahme auch an Standort- und Beschäftigungsgarantien gekoppelt. Ebenso muss Tarifbindung oder Orientierung am Tarif sichergestellt sein, da die Finanzierung aus öffentlichen Mitteln stammt.

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